Die Hallendorfer Kirche
Über Gründung und Alter der Kirche ist nichts Genaues bekannt. Pastor Loeloff berichtet darüber im Corpus Bonorum: "deren origo und Fundation und was von alten Zeiten her damit für beschaffenheit gehabt" sei unbekannt. "Sonst aber in was vor einen schlechten Zustandt dieselbe ist gesetzet worden, da die Sachsen und Heßen bey Regierung des Durchl. Herrn Hertzogs Heinrich Hochlöbl. Gedächtniß von 1542 biß 1547, wie diese Kirche sehr übel sey zugerichtet". Die Kirche sei zwar nicht groß, aber für die Gemeinde "räumlich genug". Die Mauern seien dicker und stärker als die der Engelnstedter Kirche. An der Westseite habe sie einen "guten, maßiven Thurm", der halb mit Ziegeln, halb mit Schiefer gedeckt sei. Um 1670 muss die Kirche, wie aus dem vorigen Kapitel zu entnehmen ist, renoviert worden sein. Ob es sich dabei um eine Ausbesserung oder einen Neubau des Turmes gehandelt hat, bleibt ungewiss. Nach dem Corpus Bonorum trug er keine Spitze, und in der Dorfbeschreibung ist von einem "platten" Turm die Rede. Er muss also von einem Satteldach gekrönt gewesen sein, das "halb mit Ziegeln und halb mit Schiefer gedeckt" war.
1702 wurden zur Ausbesserung des baufälligen Turmes 66 Marienflorint, 17 Mariengroschen ausgegeben. Der First des Turmdaches verlief in Nord- Süd- Richtung. Im Nordgiebel hat sicherlich die Uhr ihren Platz gehabt. Leider ist in den Bauzeichnungen, die für den im Jahre 1798 begonnenen Umbau der Kirche angefertigt wurden, nur der neue Turm, nicht aber der alte in seiner ganzen Größe gezeichnet worden.
Im Jahre 1738 wurde die Kirche gründlich renoviert. Über die Kosten dieser "concedirten (genehmigten) Kirchenreparation" ist in der Kirchenrechnung von 1739 von 170 Thalern die Rede. Der "Tauff Engel" schwebte unter der Decke über dem Taufbecken und wurde bei der Taufhandlung herabgelassen. Später wurden die Engel durch eine Verordnung des Herzogs verboten und sind daher in den Kirchen des braunschweigischen Landes nicht mehr zu finden. Bei den Renovierungsarbeiten von 1738 scheint die Kanzel ihren Platz an der Südseite des Kirchenschiffes bekommen zu haben, wie aus den o.a. Bauplänen ersichtlich ist. An das Kirchenschiff schloss sich der fast ebenso lange, aber schmalere Chor an, der vom Schiff durch einen Rundbogen abgetrennt war.
Aus dem bisher Angeführten und aus der Bauzeichnung geht hervor, dass die alte Kirche sowohl außen als auch innen ganz anders ausgesehen hat als heutzutage. Das alte Gotteshaus war einschließlich des Turmes etwa 8 m kürzer. Während das neue Kirchendach überall die gleiche Firsthöhe hat, war früher das Dach über dem Chor niedriger als über dem Kirchenschiff. First und Dachtraufe verliefen also nicht in einer geraden Linie. Die Kirchentür lag nicht wie heute im Turm, sondern in der Nordwand des Schiffes, etwa zwischen der Turmwand und dem heutigen ersten Fenster. Den Turm selbst konnte man nicht von außen, sondern nur vom Erdgeschoß des Kirchenschiffes aus betreten. Dieser Umstand und die Tatsache, dass er keine Fensteröffnungen, sondern an der Nord- und Südseite 4 Schießscharten, je zwei schmale im Erd- und zwei etwas breitere im Dachgeschoß hat, deuten darauf hin, dass er in Notzeiten die letzte Zufluchtsstätte für die Bevölkerung war, in die man sich zurückziehen und ggf. verteidigen konnte, wenn Not am Mann war.
Unmittelbar neben der Kirchentür führte eine Treppe nach oben zu den Priechen. Sie nahmen jedoch mit ihren zwei bzw. drei Bankreihen nur die Nord- und die Westwand ein, die Südwand blieb frei. Nach dem Umbau konnte man sie,- wie auch heute -, nur vom Turm aus erreichen. Die Tür befand sich in der Mitte der Ostwand des Turmes. Dort hat heute die Orgel ihren Platz. Als diese eingebaut wurde, musste die Tür verlegt werden. Die zweite Tür, die heutzutage vom Turm aus auf die Empore führt, stammt sicherlich ebenfalls aus der Zeit der Anschaffung der Orgel.
Betrat man die Kirche vor dem Umbau, so befand man sich unmittelbar hinter der Eingangstür im Kirchenschiff, dessen Längsseiten von den Bänken für die "Frauens- und Mannspersonen" eingenommen wurden. Ein breiter Mittelgang führte weiter auf den Chor mit dem Altar zu. Die Kanzel befand sich an der Südwand des Kirchenschiffes, schräg gegenüber von der Eingangstür. Im Chorraum standen vor dem Altar sechs Bänke für die Knaben und für die Communicanten. Weitere Bänke waren an den Längsseiten des Chores aufgestellt, von diesem durch "Geländer" abgeteilt. Nach hinten war der Altarraum mit einer Wand abgeschlossen, durch die zwei Türen führten. In der Südostecke des Raumes hinter der Altarwand befand sich der Beichtstuhl, für den noch im Jahre 1758 "1 1/2 Ellen blaues Tuch zur Beschlagung inwendig" angeschafft wurden. Die beiden Vorhänge aus 7 Ellen grünem Raps stammten aus dem Jahre 1742. Die Decken des Schiffes wie auch des Chores waren nicht flach und eben wie heute, sondern bestanden aus einem doppelten Kreuzgewölbe.
Ihr endgültiges Aussehen bekam die Hallendorfer Kirche durch den Umbau der Jahre 1795/96 bis 1802. Der Turm war schon in früheren Jahren als baufällig bezeichnet worden. Es war zunächst nur beabsichtigt, ihn zu reparieren und zu "unterfahren", während das Kirchenschiff umgebaut werden sollte. Am 24.2.1795 reichte der Maurermeister Fricke einen Kostenvoranschlag ein, in dem er die Notwendigkeit der Vergrößerung der Kirche an Hand einer "Seelenliste" und der Ausbesserung des Turmes nachweist. Nach seiner Eingabe fanden etwa 80 der insgesamt 211 Einwohner Hallendorfs keinen Platz in der Kirche.
Die ursprünglichen Pläne und Berechnungen mussten jedoch geändert werden. Als man nämlich mit den Arbeiten begann, stellte es sich heraus, dass eine Ausbesserung des Turmes unmöglich war: "Der Thurm ließ einen nahen und schleunigen Einsturz befürchten". Gezwungenermaßen musste das Consistorium den Bau eines neuen Turmes genehmigen. Endlich, am 19.9.1802, war es so weit: die neue Kirche konnte eingeweiht werden, und zwar nicht mit einem normalen Gottesdienst, sondern mit einem Festakt, der sogar von Instrumentalmusik umrahmt war. Unter den extraordinairen Ausgaben des Jahres 1802 sind die Einweihungskosten mit 41 Thaler 9 Mariengroschen angegeben.
In den Kirchenrechnungen des Jahres 1833 wird zum ersten Mal eine Sakristei erwähnt. Sie sei "ausgewichen" und habe durch einen Zimmermeister "gerade gestellt" werden müssen. Im Jahre 1865 wurde erwogen, die Kirche einer gründlichen "Restauration" zu unterziehen. In seiner Sitzung vom 28. 2.1865 befasste sich auch der Gemeinderat mit der Notwendigkeit der geplanten Instandsetzungsarbeiten. In dem Sitzungsprotokoll wurden die anstehenden Reparaturarbeiten aufgeführt. Unter anderem die Anbringung von dielenen Fußbänken in sämtlichen "Stühlen" und Vergrößerung der kleinen Glocke. Außerdem wurde festgestellt, dass die Sakristei baufällig sei, sie möge abgebrochen werden. Sie sei ohnehin überflüssig, da der Pastor in der Kirche einen Platz habe. Nach den Kirchenrechnungen von 1869 ist in diesem Jahre eine neue "Leichenhalle" auf dem Friedhof erbaut worden.
Bis 1894 war die Kirche ohne Ofen. Nur in der Sakristei stand nach den Kirchenrechnungen von 1831 ein "Unterofen mit zerbrochenen Biberschwänzen". Im Jahre 1894 wurde ein eiserner Ofen angeschafft und an der Südseite vor dem Altarraum aufgestellt. Er kostete 381 Mark, die Baukosten für den Schornstein betrugen 96,38 Mark. Als nach dem 2. Weltkriege Hallendorf selbständige Pfarre wurde und im Garten des ehemaligen Pfarrwitwenbauses ein neues Pfarrhaus sowie ein Gemeindehaus bekam, wurde die Koksheizung aufgegeben und durch eine Gasheizung ersetzt. Als im Frühjahr 1970 das Turmdach einer gründlichen Reparatur unterzogen werden musste, wurde auch die Turmspitze mit der Wetterfahne abgenommen. In der Kugel, die einen Durchmesser von 50 cm hat, fand man in einer 23 cm langen Büchse außer Zeitungen aus dem Jahre 1884 Niederschriften des Lehrers Brand von 1855, der Gemeindevorsteher Hagemann und Stoot sowie des Klempnermeisters Brandes, Salder, von 1884 und von 1939 schriftliche Mitteilungen des damaligen Hilfspredigers Ulrich Eisenberg und des Klempnermeisters Steckhan aus Wolfenbüttel. 1884 heißt es in dem Bericht des Meisters Brandes, es sei alles neu geworden bis auf die Helmstange und den Knopf. "Das Pferd ist aus Kupfer, die unter und ober Peramide sind ebenfals aus Kupfer so wie auch das Kreuz, die Blume ist aus Messing". Die Wetterfahne trägt die Jahreszahl 1884.
Nach Curt Hasselbring, Chronik von Hallendorf